16-06/19-06-2015 Zurück in belebte Straßen: La Paz, Bolivien

Eigentlich müsste die Überschrift für diesen Text „Höllenritt durch die Nacht nach La Paz“ heißen, denn so begann die Reise in die Hauptstadt Boliviens.

Ich war noch immer gemeinsam mit Loryn unterwegs und da uns bewusst war, was uns für eine Nacht bevor stand, haben wir weder Mühe noch Kosten gescheut um kurz vor der Abfahrt eine kleine Flasche Wein zu organisieren und dazu noch passende Plastebecher. Insgesamt haben wir locker 2€ausgegeben. Eine 11-Jährige hat uns den Wein verkauft und ein circa 7-jähriger Bub die Becher. Manchmal ist die Normalität hierzulande noch immer ein wenig erschreckend für mich. Das Ende vom Lied war jedoch, dass der Wein wie Waschmittel mit Traubengeschmack geschmeckt hat, so dass die ganze Mühe umsonst war. Die Vorfreude vorab trotzdem überragend.

20Uhr startete der Bus in die Nacht. Angesetzte Fahrtzeit 12h.

Die Straßen waren furchtbar. Es war eisig kalt im Bus. Immer wenn man wach wurde, hatte man das Gefühl, die Gelenke seien eingefroren. Ich hatte noch nie solche Knieschmerzen. Im Bus war es stockdunkel. Im WC war auch kein Licht. Ich muss wahrscheinlich nicht weiter ausführen, welche Begabung es braucht, nachts in einem dunklen Bus, der mit gefühlten 100km/h durch die Prärie heizt, auf Toilette zu gehen.

Dann das Highlight des Trips. An jeder Haltestelle fing der Busfahrer wie wild an zu hupen und das Licht im gesamten Bus an und aus zu machen. Alle erwachten mit Schock. Aber keiner verpasste wohl seine Haltstelle. Und…wir waren über 1h eher in La Paz. Das bestätigte nur den Fahrstil des Busfahrers. Absolut ohne Worte.

Zum Glück konnten wir gleich in unser Zimmer im Hostel einchecken. Ein recht guter Kaffee und eine noch bessere Dusche ließen den Tag dann doch wieder sonnig erscheinen. Wir erkundeten unser Viertel, welches sehr zentral lag. Gleich ums Eck lag der sogenannte Witches Market, was sehr leicht an den toten, ausgetrockneten Lämmern zu erkennen war, die überall an den Ständen hingen. Wir streiften durch die kleinen, mit Läden zu geschusterten Gassen und erhielten einen ersten Eindruck von La Paz. Also ich hatte es mir anders vorgestellt. Es schien alles ganz gemütlich. Keine riesigen 8-spurigen Straßen. Nein, im Gegenteil.

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Der nächste Tag stand ganz im Sinne Abenteuer. Wir haben einen Tagestrip zu Rad für die Death Road gebucht.

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Kurzer Exkurs: Die Yungas-Straße wurde in den 1930er Jahren während des Chacokriegs von paraguayanischen Kriegsgefangenen erbaut. Sie ist eine der wenigen Straßen, die den Amazonas-Regenwald im Norden Boliviens mit La Paz verbinden. Von La Paz aus steigt die Straße zunächst bis auf den La-Cumbre-Pass in 4650 m Höhe an und fällt danach bis auf etwa 1200 m bei Yolosa kurz vor Coroico ab. Die einspurige Straße führt zumeist ohne Leitplanken an steilen Abhängen entlang. Sie ist daher sehr gefährlich, außerordentlich schwierig und nur unter großer Gefahr zu passieren. Darüber hinaus sorgen Regen und Nebel sowie matschiger, morastartiger Untergrund häufig für einen schlechten Straßenzustand und geringe Sichtweiten. Mit Steinschlag oder Erdrutschen aufgrund von starker Erosion ist jederzeit zu rechnen. Eine lokale Verkehrsregel schreibt für die Yungas-Straße, abweichend vom bolivianischen Rechtsverkehr, Linksverkehr vor, damit die links sitzenden Lenker bei einer Fahrzeugbegegnung den Fahrbahnrand besser einsehen können; eine Fehleinschätzung hätte fatale Folgen. Ein Unglück vom 24. Juli 1983, bei dem ein Bus ins Schleudern geriet, in eine Schlucht stürzte und die 100 Insassen in den Tod riss, gilt als Boliviens schlimmster Verkehrsunfall. Einer Schätzung zufolge verunglückten bis 2007 pro Monat zwei Fahrzeuge und starben jährlich 200 bis 300 Reisende auf der Straße. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand markieren die Unfallstellen. Im Jahre 1995 wurde die Yungas-Straße von der Interamerikanischen Entwicklungsbank zur „gefährlichsten Straße der Welt“ ernannt. Seit den 1990er Jahren ist die Yungas-Straße aber gerade wegen ihrer Gefährlichkeit ein beliebtes Touristenziel. Vor allem Mountainbiker schätzen sie als Route zum Downhill-Biking.

*Anmerkung:1 Bus stürzt in die Tiefe und 100 Insassen sterben. Lasst euch das Mal auf der Zunge zergehen.

 

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Morgens 7:30Uhr trafen wir uns an einem Restaurant. Hubert, unser Guide, begrüßte die insgesamt 14 Mann unserer Gruppe super freundlich. Nelson, unser Busfahrer erhielt einen gesonderten Applaus, denn schließlich musste er uns nach der Abfahrt auch wieder heile noch oben bringen.

Im Bus erhielten wir eine erste Einweisung und unsere Klamotten und Ausrüstung zugeteilt. Mein Bike „Black Beauty“ aka Laguila, wurde mit purem 96%-igen Alkohol auf den Ritt vorbereitet. Ein Schluck auf das Vorderrad, ein Schluck auf die Erde und einen Schluck für die Fahrerin. Herrlich abartig. So hat jeder der Gruppe das Ritual absolviert, bevor es los ging.

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Um es kurz zu beschreiben: Die ersten km waren noch auf asphaltierter Straße mit vollem Speed zu absolvieren. Auf über 4500m war es auch recht frisch um die Nase. Dann wurden 8km bergauf im Bus zurück gelegt. Jegliche Anstrengung wurde also vermieden. Und dann waren wir auch schon da. Am Anfang der 56km Downhill-Straße. Diese wurde in 11 Abschnitte eingeteilt und im Schnitt brauchten wir von einem Stopp zum nächsten zwischen 10 und 20 Minuten. Jeder kämpfte für sich allein. Ein Guide am Anfang der Gruppe, ein Guide am Ende. Die Aussicht war atemberaubend, konnte aber immer nur kurz genossen werden, denn die Angst eine Kurve nicht zu bekommen, war zu groß. Es rüttelte und schüttelte. Steine auf der Straße, matschiger Untergrund an kleinen Wasserfällen, die den Abhang hinunter rieselten. Schon nach den ersten 3 Einheiten hatte ich das Gefühl 5h gebowlt zu haben. Meine Unterarme und auch die Hände taten weh. Im Endeffekt war mein Körper die ganze Zeit angespannt, ich saß auch kaum auf dem Sitz. Keine Lust auf diesen Schmerz. Die Abfahrt war lange nicht so schlimm wie gedacht. Dennoch war ich froh, als wir endlich im Tal ankamen.

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Der Rekord für diese 56km liegt bei knappen 45Minuten. Wir waren mit Pausen gute 3h unterwegs. Soviel dazu.

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Zum krönenden Abschluss des Tages gönnte ich mir noch die Flying Fox Zipline, welche am Ende der Death Road zu buchen war. Völlig erschöpft und kraftlos trat ich auch noch dieses Abenteuer an. Alles oder Nichts. Ganz oder Garnicht. Die Zipline bestand aus 3Runden; 465m, 505m und 587m. Ich absolvierte sie im Superman-Style. Es war unbeschreiblich über den Dschungel, das Tal und die Death Road zu fliegen. Von hier oben konnten die riesigen Coca-Leave Felder überschaut werden. 1,2t werden pro Monat allein in Bolivien im täglichen Bedarf konsumiert, als kleine Info am Rande.

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Nach den ganzen Adrenalin Schüben gönnte ich mir ein eiskaltes Bier. Nicht das ich Bier gern trinke, aber das hatte ich mir verdient und es schmeckte herrlich.

Das Beängstigendste an diesem Tag war dann tatsächlich die Rückfahrt im vollbesetzten Bus die Yunkas-Straße wieder zurück. Ich betete, dass uns nichts entgegen kommt. Und so war es auch. Was für ein herrlich anstrengender und atemberaubender Tag.

Die nächsten Tage schlenderten wir noch über den einen oder anderen Markt. Unglaublich was hier zum Verkauf angeboten wird. Sachen und Dinge, von denen man noch nicht einmal wusste, dass man sie jemals gebrauchen könnte.

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Am letzten Nachmittag ging es auf den Militär-Airport, da dort die günstigeren Flüge starten. Nächster Stopp: Rurrenabaque, Amazonas.

 

Lessons Learned of these days:

Bus fahren in Südamerika ist etwas für Fortgeschrittene:

Nach etlichen Busfahrten dachte ich, alles erlebt zu haben, was geht. Aber dem war, wie oben bei der Anreise nach la Paz beschrieben, leider nicht so.

No risk. No fun.

So toll sich dieser Satz anhört und so leicht er auch über die Lippen gehen mag; die Geschichten über die tragischen Unfälle, die sich auf der Yunkas-Straße ereigneten, lassen einen doch nachdenklich werden. Nicht nur das zahlreiche Personen mit Autos oder Bussen in die Tiefe gerissen wurden, nein, auch zum Beispiel ein erfahrener Guide der für seine Gruppe extravagante Bilder machen wollte, stürzte 2009 in die Tiefe.

Falls ihr mal einen kleinen Blick riskieren wollt: http://forum.deaf-forever.de/index.php?threads/death-road-die-yunkas-straße-in-bolivien.1490/

Leitungswasser für „nur“ Zähne putzen nutzen, kommt dem Trinken von Leitungswasser gleich.

Mehr muss ich an dieser Stelle nicht hinzufügen.

 

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